Es war der 22. Juni 1955. Ein Mittwoch. In der deutschen Hitparade hatte sich Caterina Valente mit „Ganz Paris träumt von der Liebe” auf Patz 1 gesungen. In der finnischen Hauptstadt Helsinki begann ein großer Weltfriedenskongress. Und auch in Mülheim tat sich was. Im Hotel „Handelshof“ schlug die Geburtsstunde des heutigen Vereins für Sport und Gesundheit 1955 e.V. (VSG Mülheim 1955 e.V.). Um Punkt 20.15 Uhr eröffnete Heinz Schwalb vor 20 Teilnehmern die Gründungsversammlung der Versehrtensportgemeinschaft Mülheim, was sich auch damals schon sehr schön mit VSG Mülheim abkürzen ließ.
Volle zwei Stunden dauerte die Sitzung, zu der unter anderem Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Versehrtensport Nordrhein-Westfalen, des VDK, des Reichsbundes, des Schwimmverbandes Nordrhein-Westfalen und der Mülheimer Stadtverwaltung erschienen waren. Der im Laufe der Sitzung zum ersten Vorsitzenden gewählte Heinz Schwalb machte in seiner Ansprache deutlich, dass er sich freue, feststellen zu können, dass das Interesse am Versehrtensport immer reger würde. In den ersten Vereinsjahren nahmen allerdings ausschließlich kriegs- und unfallgeschädigte Mitglieder an den Übungsstunden und Wettkämpfen teil.
In den Gründertagen – so ließ sich 1995 in der Festschrift zum 40-jährigen Jubiläum nachlesen – war nicht im Entferntesten zu ahnen, welche Entwicklung und Bedeutung der Versehrten- bzw. Behindertensport einmal nehmen würde. Die klassischen Sportarten wurden dabei ebenso gepflegt wie neue samt Regelwerk entwickelt. So entstanden Sportarten wie Fußballtennis, Sitzball und auch das Bosselspiel, das der Spielidee des Eisstockschießens ähnelt.
Prellballer und Tischtennisspieler des Vereins waren über Jahre erfolgreich. So wurden 1957 fünf VSGler Westdeutsche Versehrten-Mannschaftsmeister im Tischtennis, derweil holte sich das Prellball-Männerteam bei den Bundesmeisterschaften des Deutschen Behinderten-Sportverbands 1973 und 1981 den Titel, und das Bossel-Team schaffte 2013 sogar das schier Unmögliche: „In acht Partien neunmal gesiegt“, hieß die Überschrift in der „Mülheimer Woche“. Da waren zwei Zahlen ebenso versehentlich wie lustig vertauscht worden…
Die erste Herzsportgruppe wurde bereits 1980 ins Leben gerufen. Sport mit ärztlicher Verordnung und ebensolcher Begleitung – das entwickelte sich zum Erfolgsrezept. Die Koronarsportgruppen – ein Kernangebot des Vereins – stellen nach wie vor eine dauerhafte Notwendigkeit dar, um körperlich wieder fit zu werden.
1986 erfolgte die Umbenennung in Behindertensportgemeinschaft, kurz BS Mülheim. Der neue Name trug dem Gedanken Rechnung, die Vorsorge ebenso stark wie die Nachsorge in den Blickpunkt zu rücken, einfach etwas mehr für die Gesundheit zu tun. Prophylaxe, Rehabilitationssport, Übungen und Therapien mit geschulten Mitarbeitern für Menschen mit den unterschiedlichsten gesundheitlichen Problemen.
Das 60-jährige BS-Jubiläum wurde 2015 groß in der Harbecke-Sporthalle mit rund 230 Gästen gefeiert. Helene Fischer, Andrea Berg und Horst Schlämmer wurden auch gesichtet. Allerdings war es die damalige Übungsleiterin Anja Pieper, die die drei Stars auf der Bühne mit viel Applaus parodierte. Ein gelungenes Fest, zu dem auch eine witzige Version des „Aschenbrödel“-Märchens gehörte – aufgeführt von Aktiven und Übungsleitern. Und ein Beispiel dafür, wie gut sportliche Aktivitäten und geselliges Miteinander unter einem Vereinsdach zusammenpassen.
Die Umbenennung der Behindertensportgemeinschaft in Verein für Sport und Gesundheit Mülheim 1955 e.V. (VSG Mülheim 1955 e.V.) trat 2022 in Kraft. Mit der neuen Bezeichnung wurde darauf reagiert, dass Behindertensport, wie er im alten Namen verankert war, nicht unbedingt mit dem angebotenen modernen Rehasport in Verbindung gebracht wurde. Zeitgemäßer sollte der Name sein, so das Ziel, und er sollte auch mehr Personen mittleren Alters und mehr Nicht-Behinderte ansprechen. Thomas Gehrmann, seit 2019 Vorsitzender des Vereins und treibender Motor bei der Umbenennung, betont, dass der Mensch und dessen Gesundheit im Mittelpunkt stehen und dass durch gezielte Maßnahmen ein gesundheitsbewusstes Verhalten gefördert und unterstützt werden soll. Den Leitspruch des neuen VSG Mülheim für die Zukunft formulierte er so: „Wir bewegen Menschen!“
Autor: Karlheinz Burandt (VSG), am 10.06.2023
Lesen Sie die Festschrift zum 40-jährigen im PDF-Format über diesen Link, zur Festschrift.